Verhalten bei Unfällen

Wer zu einem Autounfall kommt, gerät leicht in Stress. Anhalten oder weiterfahren, Polizei alarmieren oder schnell Hilfe leisten???

Wir sagen Ihnen, was richtig ist

Wie in einem Horrorfilm fühlt sich Petra Z., als sie vorsichtig auf der noch freien rechten Spur an dem Unfall vorbeifährt, den ein Geisterfahrer auf der A8 bei München verursacht hat: zwei ineinander verkeilte Autos mit leblos wirkenden Insassen, viele Menschen, die neugierig auf der Fahrbahn herumstehen, ein Mann, der mit Kind an der Hand die zertrümmerten Fahrzeuge ansteuert. »Und das, obwohl Polizei und Rettungsfahrzeuge noch nicht da waren«, schrieb sie uns empört. »Wissen denn die Leute nicht, was sie in so einem Fall tun müssen?«

ADAC-Psychologe Franz Schibalski kennt das Problem: »Niemand kann sich vorher mental auf so eine Situation einstellen. Bei schlimmen Unfällen sind die meisten Menschen hochgradig gestresst, bekommen Angst, vor allem, wenn sie als Erste an den Unfallort gelangen. Dann fällt es schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Richtige zu tun.« Zwar hat jede Unfallstelle ihre Besonderheiten, aber es gibt Dinge, die fast immer gelten. Hier die wichtigsten Fragen:

 

Wer muss anhalten und wo stellt man sein Auto ab?

Wer als Erster zu einem Unfall kommt, muss unbedingt halten. Zwei weitere Autofahrer könnten zur Unterstützung des ersten Helfers, je nach Unfallsituation und Hilfsbedarf, auch noch stehen bleiben. Auf der Autobahn müssen die Fahrzeuge grundsätzlich auf dem Standstreifen abgestellt werden, wenn möglich vor der Unfallstelle. Auf Landstraßen ebenfalls vor der Unfallstelle möglichst weit rechts ranfahren.

 

Stehen schon mehrere unbeteiligte Fahrzeuge am Unfallort, können Nachfolgende dann weiterfahren?

Das sollten sie, wenn möglich, unbedingt. Denn je mehr Autos anhalten, desto größer ist die Gefahr, dass es zu Folgeunfällen kommt. Und wenn viele Menschen herumstehen, sinkt auch die Bereitschaft des Einzelnen zu helfen: weil sich keiner mehr verantwortlich fühlt und jeder denkt, dass sich bereits andere um alles kümmern.

 

Müssen alle Insassen aussteigen oder nur die, die helfen können?

Auf der Autobahn müssen alle aussteigen und sich hinter der Schutzplanke in Sicherheit bringen, auf Landstraßen sollte man auch weg von der Fahrbahn an eine sichere Stelle. Am Unfallort dürfen nur Helfer sein.

 

Was soll der Helfer zuerst tun?

Zu allererst muss die Unfallstelle abgesichert werden, denn der Schutz für alle Helfer steht an oberster Stelle: Nach dem Anhalten Warnblinkanlage einschalten und dann das Warndreieck aufstellen: auf Autobahnen im Abstand von etwa 200 Schrittlängen (150 m) vor dem Unfallort, auf Landstraßen 50-100 m. Dabei auf die eigene Sicherheit achten. Anschließend den Rettungsdienst rufen (siehe Kasten) und erste Hilfe leisten. Wenn mehrere Helfer da sind, kann man sich die Aufgaben teilen. Es ist sinnvoll, wenn der Besonnenste das »Kommando« übernimmt.

 

Wer wird als Zeuge gebraucht und muss auf die Polizei warten?

Zeugen, die wirklich etwas gesehen haben und sichere Angaben über den Unfallhergang machen können, sollten auf die Polizei warten (einen Info-Flyer mit Unfallberichtformular gibt es in allen ADACGeschäftsstellen).

 

Darf ein Helfer Neugierige, die sich und andere gefährden, wegschicken und den Verkehr regeln?

Der oder die Helfer haben sicher Besseres zu tun, als sich um Gaffer zu kümmern oder den Verkehr zu regeln. Sie können Neugierige zwar bitten wegzugehen, aber ein Platzverweis ist Sache der Polizei, die meist sehr schnell am Unfallort eintrifft.

 

Wenn hinter dem Unfall ein Stau entsteht wie verhält man sich da richtig?

Das Wichtigste ist, frühzeitig, noch bevor man ein Martinshorn hört, eine Rettungsgasse zu bilden, damit alle Einsatzkräfte schnell die Unfallstelle erreichen. Schon bei beginnendem Stau genügend Abstand zum Vordermann halten! Auf zweispurigen Autobahnen die Gasse zwischen den Fahrspuren bilden, auf dreispurigen zwischen der mittleren und der linken Spur. Das gilt auch für Motorradfahrer. Bleiben Sie aufmerksam, selbst wenn Polizei und Rettungsdienst schon an Ihnen vorbeigefahren sind, denn oft kommen noch Einsatzfahrzeuge nach. Bei einspurigen Fahrbahnen auf dem Land oder in der Stadt in Fahrtrichtung ganz rechts an den Rand fahren.

 

Was müssen die Autofahrer auf der Gegenfahrbahn beachten?

Sie sollten schauen, ob nicht Gegenstände auf der Fahrbahn herumliegen, und vor allem auf Gaffer achten, die spontan bremsen. Ansonsten gilt: zügig weiterfahren, damit es nicht auch hier zum Stau oder sogar Unfall kommt.

 

Auf was muss man aufpassen, wenn ein Rettungshubschrauber landen will?

Schwebt der Rettungshubschrauber im Landeanflug schon tief über der Straße, bitte sofort stehen bleiben. Sie dürfen auch nach der Landung auf keinen Fall versuchen, noch schnell vorbeizukommen, nur um Wartezeit zu vermeiden. Menschenleben sind wichtiger als Termine. Kleinlaster können in so einem Fall übrigens an den Rotorblättern hängen bleiben. Halten Sie immer genug Abstand zur Maschine und warten Sie auf Anweisungen des Piloten.

 

Informationen im Internet

ADAC www.adac.de (unter Recht&Ratgeber —> Unfallabwicklung)

Rechts-Informationen für Autofahrer

Was Ersthelfer wissen sollten

Jeder Mensch ist zur ersten Hilfe verpflichtet. Wer sich drückt, einem Unfallopfer zu helfen, kann wegen unterlassener Hilfeleistung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und hohen Geldstrafen belegt werden. Allerdings wird von niemandem verlangt, sich selbst in Lebensgefahr zu bringen, etwa Menschen aus brennenden Fahrzeugen zu ziehen. Doch selbst wem es körperlich nicht möglich ist, direkt mit anzupacken, kann zumindest Hilfe rufen. Niemand muss Angst haben, bei der ersten Hilfe etwas falsch zu machen und dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Denn man kann davon ausgehen, dass jeder sein Bestes gibt. Ersthelfer sind rechtlich immer abgesichert, auch wenn ihnen beim Helfen selbst etwas passieren sollte. Natürlich ist es sinnvoll, seine Erste-Hilfe-Kenntnisse ab und zu aufzufrischen. (Text: Dr. Markus Schäpe – ADAC-Verkehrsjurist)